Herrlich schwer

Foto: Lutz Goldbecker/Cycling Adventures

Herrlich schwer

Gran Canaria – Radsport-Insel des ewigen Frühlings

Bestes Wetter, herrliche Berge, Palmen, Sonne, Meer: Gran Canaria verführt zum Leiden. Radsport ist in diesem Trainingsparadies kein Zuckerschlecken. MTB-Weltmeister Alban Lakata kommt genau deshalb immer wieder, Ergon-Redakteur Volker Laabs trotzdem. Warum, erzählt er in dieser Reportage.

Ich hatte die Nase voll. Endgültig. Die ungemütlichen rheinischen Wintermonate dauerten mir einfach zu lange. Mein Wunsch: Zwischendurch irgendwo ein, zwei schöne Radwochen lang Sonne tanken, stundenlang fahren, ohne zu frieren, möglichst bergig, Kaffeepausen unter Palmen, nach der Tour ins Meer oder wenigstens in den Pool.

Mallorca und alles andere rund ums Mittelmeer war mir zu kühl, wettermäßig zu unsicher. Ich recherchierte und stieß auf Gran Canaria. Sagte mir als Rennradrevier bis dahin nichts, las sich jedoch verdammt gut. Es war Januar, meine Hobbyfahrer-Form der Jahreszeit entsprechend, aber die Saisonziele mit dem einen oder anderen Alpen-Jedermann-Event für meine Verhältnisse ambitioniert.

Um es kurz zu machen: Ich kam, sah, trainierte – und komme bis heute jedes Jahr wieder. Mehr als 20 Grad und täglich 7 Sonnenstunden schon im Januar, wunderschöne Anstiege durch subtropische Vegetation unweit von Afrika, traumhafte Abfahrten – wer Berge liebt wie ich, liebt Gran Canaria. Obwohl meine Beine zum Jahresbeginn längst nicht jede der fiesen Rampen klaglos hinnehmen.

  • Grandiose AusblickeVon Mogan (im Hintergrund) geht es auf bestem Asphalt bei wenig Verkehr hinauf zum Tauropass. Foto: Beat Gfeller

Gran Canaria ist ein fast kreisrunder Vulkankegel im Atlantik mit dem 1.949 Meter hohen Pico de las Nieves in der Mitte. Heißt: Wer von der Küstenstraße abbiegt, fährt tendenziell bergauf. Und irgendwann wieder runter. Aber nie wirklich flach. Wer gar keine Form hat, bleibt besser zu Hause.

Denn für lockere Grundlagen-Kilometer ist Gran Canaria definitiv die falsche Adresse. Wer aber Höhenmeter auf demselben Breitengrad wie Hawaii genießen will und einigermaßen fit ist: Buchen! Und, wichtig: Im Reisegepäck einen Maulkorb für den inneren Schweinehund nicht vergessen …

  • Über den Wolken45 Kilometer sind es vom Meer bis auf Gran Canarias höchsten Gipfel, den 1.949 Meter hohen Pico de las Nieves. In Sichtweite: Die Nachbarinsel Teneriffa mit dem gewaltigen Teide (3.718 m, im Hintergrund). Foto: Beat Gfeller

Mein absolutes Highlight jedes Jahr: die formidable Fahrt zum höchsten Gipfel der Insel. Vom Meer bis zum Pico de la Nieves summieren sich auf 45 Kilometern mehr als 2.000 Höhenmeter, ganz oben belohnt die grandiose Aussicht bis nach Teneriffa für die Quälerei. Der Pico ist das Dach der Gebirgskette, die das Radsport-Eldorado im Insel-Süden vor Regenwolken schützt. Diese schaffen es aus dem grünen Insel-Norden nur selten über diese Felsbarriere – so soll es sein.

Nach meiner kompletten Königsetappe von Maspalomas über den Pico zeigt der Computer 100 Kilometer und 2.500 Höhenmetern - für mich im Winter eigentlich mehr als genug. Muss aber sein, ist einfach zu schön. Wem das noch nicht reicht, kann sich zum Beispiel eine Masochisten-Runde durch das – nomen est omen - "Tal der Tränen" zusammenstellen. Dort ist es kilometerweit steiler als steil, zeitweise mehr als 20 Prozent. Resultat am Ende des Tages: mindestens 3.500 Höhenmeter.

Doch Gran Canaria geht auch deutlich moderater. Allerdings: Aus drei Stunden Radfahren resultieren immer mindestens 1.000 Höhenmeter, weniger ist nicht drin. Soll es für mich aber auch gar nicht. Denn Gran Canaria liefert viele gute Gründe, mit dem Fahrrad in praller Sonne Serpentinen hochzudrücken und sich spektakuläre Abfahrten „zu erarbeiten“. Wilde Schluchten, die sogenannten Barrancos, ziehen sich strahlenförmig hinunter bis ans Meer. Auf fruchtbarer Vulkanerde wachsen Kakteen, Dattelpalmen, Agaven, Bananen, in den Bergen duftet es aus Büschen nach Salbei, Knoblauch, Thymian, Johanniskraut, Anis und Lavendel. Dazu die im Insel-Inneren überwiegend verkehrsarmen, sehr gut asphaltierten Straßen und die Gastfreundlichkeit der Einheimischen. Sie lassen es uns spüren: Wir Radsportler sind willkommen.

Gemeinsam hoch hinaus: Wer von der Küstenstraße abbiegt, ist bereits auf dem Weg nach oben. Foto: Lutz Goldbecker/Cycling Adventures

Die langen Anstiege sind ideal für uns Marathon-Racer. Es ist konstant warm, kaum Regen, viele schöne Strecken, wenig Verkehr – ein einzigartiges Trainingsrevier

– Alban Lakata, dreifacher MTB-Weltmeister

Schon viel länger als ich schwärmt Alban Lakata von Gran Canaria. Seit 2003 bereitet sich der dreifache MTB-Marathon-Weltmeister hier Jahr für Jahr im Winter auf die Saison vor. „Die langen Anstiege sind ideal für uns Marathon-Racer. Es ist konstant warm, kaum Regen, viele schöne Strecken, wenig Verkehr - ein einzigartiges Trainingsrevier", schwärmt der Champion. Seine Tipps für Hobbysportler: Ein Rad mit möglichst kleiner Übersetzung und guten Bremsen, ohne Streckenkenntnis erst mal geführte Touren mitmachen (siehe Infobox), in den Bergen einkehren im Kult-Café der Radsportler, dem "Casa Melo“ im Dörfchen Ayacata.

Formtest: Für den dreifachen Weltmeister Alban Lakata gehört zur Saisonvorbereitung auf Gran Canaria eine Leistungsdiagnostik bei Mathias Nothegger (NOM-Training) dazu.

Leistungsmäßig trennen Alban und mich natürlich Welten. Gemeinsam haben wir außer der Vorliebe für die Bar „Casa Melo“ nur den Coach: Der auf Gran Canaria lebende Mathias Nothegger führte Lakata 2017 mit Leistungsdiagnostik, Trainingssteuerung und Ernährungsberatung zum dritten WM-Titel, bei mir hat Mathias es immerhin geschafft, dass ich bei Bergmarathons im gesicherten Mittelfeld landen kann, wenn es gut läuft. NOM-Training ist eine empfehlenswerte Adresse auch für Hobbyfahrer, die den Radurlaub mit weltmeisterlicher Beratung kombinieren und anschließend zu Hause ihre knappe Trainingszeit bestmöglich nutzen möchten.

Mein persönliches, jahrelang bewährtes Rezept für den Start ins Radsportjahr: Im Winter zu Hause irgendwie die Grundfitness bewahren, im Januar/Februar für 10 bis 14 Tage nach Gran Canaria, dort im eigenen Tempo trainieren, nicht überziehen und zwischendurch Ruhetage nicht vergessen. Wenn das Budget dann noch den Besuch beim Profi-Coach hergibt – perfekt.

Gran Canaria lohnt sich immer wieder. Ganzjährig, vor allem im Winter, erst recht für Radsportler, auch - für viele nicht unwichtig - inklusive Begleitung. Denn: Badeurlaub unter Palmen, Kamelreiten durch die weltberühmten Dünen von Maspalomas, Jeep-Safaris oder Bergwanderungen können reizvolle Argumente sein, die ganze Familie fürs Trainingslager zu begeistern.

  • Der WeltmeisterAlban Lakata, dreifacher MTB-Marathon-Champion, bereitet sich seit 2003 jedes Jahr im Winter auf Gran Canaria auf die Saison vor.
  • Kaffee-Pause auf 1.300 MeternDer Stopp an der Bar Casa Melo in Ayacata ist für Alban Lakata und seine Trainingspartner ein Muss. Links Mathias Nothegger, der Lakata 2017 als Coach und Diagnostiker auf dem Weg zum WM-Titel betreute.
  • Serpentinen-HighlightDer Anstieg zum Tauropass gehört zum Schönsten, was Gran Canaria für Radsportler zu bieten hat. Foto: Beat Gfeller
  • GlücksmomentNach 9 Kilometern mit durchschnittlich 7 Prozent Steigung ist der 930 Meter hohe Tauropass bezwungen. Foto: Carmen Vonach/NOM-Training
  • Die Berge im BlickMaspalomas ist auf Gran Canaria idealer Startort für Trainingstouren jeglicher Länge. Foto: Lutz Goldbecker/Cycling Adventures
  • Der Ergon-RedakteurVolker Laabs unterbricht seit vielen Jahren die zu Hause so ungemütlichen Wintermonate mit Trainingswochen unter kanarischer Sonne. Foto: Nils Zimmermann
  • Zeit fürs Gruppenfoto muss immer seinDer Anstieg von Maspalomas über Ayagaures (im Hintergrund) zum knapp 500 Meter hohen Monte Leon ist eine beliebte Einstiegsrunde für die Trainingswoche auf Gran Canaria. Allein ist man hier selten.
  • „Après-Rad“ unter kanarischer Sonne am MeerNach dem Training trifft sich der Ergon-Redakteur mit Lebenspartnerin Birgit am Hafen von Puerto de Mogan. Foto: Wilfried Müller
  • Traumhafte AbfahrtenDer Rückweg zum Meer belohnt jeden Tag aufs Neue für das intensive Bergtraining. Foto: Lutz Goldbecker/Cycling Adventures
  • Ruhetag am BadestrandAuch in den Wintermonaten hat der Atlantik auf Gran Canaria noch Wassertemperaturen von 18 bis 20 Grad.
  • Radsportgerechtes Wohnen unter PalmenIn den geräumigen Bungalows des Dunas Suites & Villas in Maspalomas darf das Rad mit ins Zimmer.
  • Sonnenhut statt FahrradhelmRegeneration zwischen den Trainingsblöcken auf kanarische Art am Strand von Maspalomas. Foto: Marc Dohm

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Infobox Gran Canaria

Lage & Klima

Gran Canaria liegt nur 250 km westlich vom afrikanischen Festland entfernt auf demselben Breitengrad wie Hawaii. Das subtropisch-milde Klima macht die Vulkaninsel zum perfekten Ganzjahres-Trainingsrevier.

Ideale Reisezeit

Die Monate November bis März sind optimal, um dem heimischen Winter zu entfliehen. Im Süden Gran Canarias sind es dann konstant 19 bis 25 Grad, nachts wird es nicht kälter als 14 Grad. Die Sonne scheint durchschnittlich 7 Stunden pro Tag, im Süden der Insel regnet es nur sehr selten.

Anreise

Gran Canaria ist von vielen deutschen Flughäfen ganzjährig erreichbar. Der Direktflug von Frankfurt nach Las Palmas dauert etwa 4,5 Stunden, die Transfer-Fahrzeit vom Flughafen nach Maspalomas 25 Minuten. Die Mitnahme des eigenen Rades im Flugzeug kostet ja nach Airline 100 bis 150 Euro, das Verpacken des Rades in Karton, Tasche oder Koffer ist Pflicht.

Touren-Charakteristik

Anspruchsvoll mit langen Anstiegen, viele Höhenmeter sind garantiert. Verlässt man die Küstenstraßen, ist man schon auf dem Weg nach oben. Highlight ist die Fahrt vom Meer hinauf zum 1949 Meter hohen Pico de las Nieves. Für reines Grundlagentraining ist die Insel nicht geeignet.

Mieträder & geführte Touren

Die besten Räder der Insel hat Free Motion: Zur Auswahl stehen Rennräder, MTB, Fitness- und E-Bikes ab 15 Euro pro Tag. Free Motion bietet zudem täglich geführte Touren in unterschiedlichen Stärkeklassen an. Tourenbeispiele

Leistungsdiagnostik & Trainingsberatung

Der seit vielen Jahren auf Gran Canaria lebende renommierte Coach, Diagnostiker und Ernährungsexperte Mathias Nothegger hat 2017 Alban Lakata aus dem Topeak-Ergon-Racing-Team zum dritten WM-Titel im MTB-Marathon geführt. Mathias betreut Radsportler aller Leistungsbereiche vom Hobbyfahrer bis zum Profi. Infos: www.nom-training.com

Unterkunft

Bester Standort für Radsporturlaub ist die Region um Maspalomas und Playa del Ingles. Die Auswahl an Unterkünften jeder Preisklasse ist groß. Hoteltipp: Sehr radsportfreundlich ist z. B. das 4* Dunas Suites & Villas Resort in Maspalomas. Großzügige Bungalow-Suiten mit eigener Terrasse ab 70 Euro pro Tag mit Halbpension, das Rad darf mit ins Zimmer. Eine günstigere Alternative ist z. B. die Bungalow-Anlage Canary Garden Club, ab 55 Euro pro Tag/HP.

Kontakt zum Autor

Lust auf Gran Canaria? Fragen an den Ergon-Redakteur? Volker Laabs kann unter der E-Mail-Adresse volker.laabs@rtisports.de kontaktet werden.

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